Als Georg Reinicke, am 5. August 1893 in
Reichenau bei Zittau geboren, nach seinem Abitur seine Militärzeit beim
2. Königlich Sächsischen Pionierbataillon Nr. 22 begann, ahnte noch
niemand, dass er am Anfang einer ungewöhnlichen militärischen und
privaten Karriere stand.
Nur wenige Tage nach der Generalmobilmachung zog er
mit seinem Bataillon in den Ersten Weltkrieg. Als Zugführer im Raum
Verdun eingesetzt, wurde er nach einem Lazarett- und Kuraufenthalt in
Deutschland zu einer Sturmpionierkompanie in die Karpaten versetzt. Hier
unterrichtete er ein türkisches Eliteregiment im Sturmpionierwesen und
wurde als osmanischer Hauptmann ins große Hauptquartier der Türkei
versetzt. Die politischen Umbrüche dort zwangen ihn zu einer
abenteuerlichen Flucht zurück in das völlig veränderte
Nachkriegsdeutschland. Dort studierte er in Berlin an der
Handelshochschule, begann seine zivile berufliche Laufbahn und heiratete
1923.
Im Jahr 1933 reaktiviert, kam er als Hauptmann und
Kompaniechef zur 2. Kompanie des Pionierbataillons 6 nach Minden. Von
dort führte sein Weg als Lehrer an die Kriegsschule in Potsdam und die
Kriegsakademie in Berlin. Mit dem von ihm aufgestellten
Heerespionierbataillon 653 erzwang er im Westfeldzug den Übergang über
die Aisne. Es folgte die Kommandierung zum Sonderstab "R" – Operation
Seelöwe – sowie übergeordnete Pioniertätigkeiten beim großen Generalstab
auf allen Kriegsschauplätzen bis hin zur Führung der 369. kroatischen
Grenadierdivision, mit der er die Rückzugskämpfe in Kroatien bestritt.
Nach seiner Gefangenschaft und Zeugenaussage bei den Nürnberger
Prozessen setzte er seine Tätigkeit als Unternehmensberater fort und war
maßgeblich an der Planung des neuen Versandhauses Quelle in Nürnberg
beteiligt, das nach seiner Inbetriebnahme das modernste Versandhaus der
Welt war.
Die autobiografischen Erinnerungen von Georg
Reinicke, die von seiner Kindheit in Sachsen bis weit in die Jahre des
Wiederaufbaus in Deutschland reichen, sind ein hochinteressantes
zeitgeschichtliches Zeugnis über das Leben eines deutschen
Pionieroffiziers in den ersten sechs Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts,
die durch zwei Weltkriege geprägt waren. Neben den Begegnungen mit
bekannten Persönlichkeiten der Militär- und Zeitgeschichte, die Georg
Reinicke beschreibt, erfährt man viel über das Pionierwesen und auch die
privaten Sorgen und Nöte des Ehemanns und Vaters von fünf Kindern in
einer turbulenten Zeit.